HELMUT TAUBER, Gastwirt aus Feldthurns und Bezirksobmann im HGV, kandidiert für den Südtiroler Landtag. Im Gespräch mit dem „Brixner“ erklärt er, warum Silvius Magnago seine Leidenschaft für Politik entfacht hat, warum Südtirol ein privilegiertes Land ist – und wo es noch Handlungsbedarf gibt.
Herr Tauber, im Großraum Brixen hat man den Eindruck, dass die Wirtschaft seit einigen Jahren gut funktioniert, und zwar sektorenübergreifend. Woran liegt das?
HELMUT TAUBER: Ich glaube, dass die Volksbefragung über eine direkte Anbindung von Brixen auf die Plose in der Entwicklung von Brixens Wirtschaft der vergangenen Jahre eine Rolle gespielt hat: Vor der Volksbefragung herrschte eine skeptische Stimmung. Das deutliche Ergebnis hat offensichtlich viele Brixner zum Nachdenken angeregt. Politisch hat es in der Gemeinde bei den letzten Wahlen eine Erneuerung gegeben mit Bürgermeister Peter Brunner und einem Team, das viel Energie hat, die Themen neu und ergebnisoffen angeht und dadurch auch weiterbringt. Die Mitglieder der Stadtregierung gehen in die Betriebe, sprechen mit Menschen, wollen ihre Vorschläge hören, und wenn es Probleme gibt, dann werden zeitnah Lösungen gesucht und auch gefunden. Der Umschwung ist in Brixen
also hervorragend gelungen. Man braucht nur an einzelne große Betriebe in Brixen denken, die vor einigen Jahren noch darüber nachgedacht haben, den Standort Südtirol aufzugeben. Heute hingegen investieren sie in den Standort Brixen. Brixen hat ja eine Reihe von weltweit agierenden Top-Betrieben, die der ganzen Stadtgemeinschaft guttun.
Welche Rahmenbedingungen brauchen heute Unternehmen, damit ein Standort für sie attraktiv bleibt?
Zunächst mal Stabilität und Sicherheit. Ein Betrieb muss wissen, dass er den Weg, den er eingeschlagen hat, auch die kommenden Jahre beschreiten kann. Südtirol ist im nationalen Kontext ohne Zweifel jene Provinz, die diese politische Stabilität seit vielen Jahrzehnten garantiert. Für mich ein weiterer wichtiger Faktor ist unsere Landschaft und die mit ihr zusammenhängende Lebensqualität. Die sprichwörtliche Work-Life-Balance lässt sich in Südtirol gut leben. Es gibt nicht nur ausgezeichnete Arbeitsplätze, sondern auch hervorragende Lebensbedingungen und Freizeitmöglichkeiten. Das ist ein enormer Wettbewerbsvorteil des Standorts Südtirol.
"Wir brauchen enkelgerechte Unternehmen, bei denen auch unsere Kinder und Enkelkinder noch mit Freude weitermachen wollen"_Helmut Tauber
Wenn Menschen sich aktiv politisch betätigen wollen, tun sie dies oft aus einem selbst gefühlten Handlungsbedarf heraus. Aus welcher Motivation wollen Sie in den Südtiroler Landtag?
Die Rahmenbedingungen, die Südtirol bietet, sind zwar gut, aber gleichzeitig gibt es noch viele Baustellen. Ich habe eine Vielzahl an Erfahrungen machen dürfen bei meiner Tätigkeit und in den vielen Vereinen, in denen ich in den vergangenen 30 Jahren aktiv war. Auch in meinen Funktionen im HGV habe ich immer wieder gemerkt, wie wichtig es ist, dass die Politik klare Rahmenbedingungen schafft, indem sie Gesetze formuliert, mit denen die Menschen gut leben und arbeiten können. Mein Anreiz ist, diese Abläufe mitzugestalten und bürgerfreundlicher zu machen. In einer Zeit, in der – auch in Rom – sich vieles jeden Tag ändert, ist es unsere Herausforderung für die nächsten Jahre in Südtirol, den Bürgern Stabilität und Sicherheit zu garantieren. Dazu brauchen wir weiterhin stabile Mehrheitsverhältnisse im neu gewählten Landtag. Ich sagte es bereits: Südtirol ist gut aufgestellt, aber wir müssen danach trachten, die Lebensqualität im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Unsere Eltern und Großeltern haben mit ihrem Fleiß und ihrem Einsatz Großartiges geleistet und Visionen realisiert. Meine Vision liegt nun darin, dass Südtirol als Lebens- und Arbeitsraum für unsere Jugend langfristig attraktiv bleibt.
In welchen Bereichen gibt es in Südtirol aus Ihrer Sicht noch Handlungsbedarf?
Ohne Zweifel in der Ausbildung! Wir haben zwar gute Ausbildungsstätten, aber wir müssen Schule viel stärker mit der Wirtschaft vernetzen. In Brixen werden beispielsweise im Rahmen des so genannten InnoValley bereits einige Initiativen andiskutiert, wie es gelingt, unsere Weltmarktführer noch besser in die Ausbildung unserer Jugendlichen einzubinden und Schule in einer Art und Weise zu gestalten, dass Jugendliche optimal vorbereitet werden für hochqualifizierte Arbeitsplätze. Diese Einbindung der Wirtschaft in die Ausbildung funktioniert heute noch nicht so, wie ich es mir vorstelle. Schule besteht heute vielfach noch daraus, dass Dinge gelernt werden, die man morgen nicht braucht. Außerdem brauchen wir viel mehr Austausch mit Betrieben aus dem Ausland – auch für die Ausbildung. Auslandsaufenthalte öffnen einfach den Horizont. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit 20 Jahren beim G7-Gipfel in Venedig die Staats- und Regierungschefs bedienen durfte – von Helmut Kohl bis François Mitterand, Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Ich hatte die Quirinalsmontur an, die allerdings 20 Zentimeter zu kurz war, aber das machte nix. Alle haben Englisch gesprochen, und es hat mich jungen Spund unglaublich fasziniert, wie Sprachen verbinden können. Heute sage ich es dauernd meinen Töchtern: Sprachen öffnen einem die Welt. Südtirol war als Schnittstelle immer schon prädestiniert.
InnoValley klingt ja irgendwie wie Silicon Valley. Könnte es heute eine Vision sein, im Eisacktal exzellente universitäre Ausbildungsmöglichkeiten im technischen Bereich zu schaffen, die dazu führen, dass Studenten aus dem Ausland in Brixen ihr Studium abschließen und damit eine wichtige Ressource für die Betriebe werden?
Natürlich! Brixen muss der attraktive Standort eines innovativen Ausbildungszentrums werden, einer Fachhochschule, die einen regen Austausch mit den Unternehmen pflegt. Die Bereiche Holz, Metall, Glas, Automotive und einige mehr eignen sich dazu bestens, weil es in diesen Sektoren bereits Leitbetriebe gibt, die internationalen Ruf genießen. Deren Erfahrungen und Kompetenzen gilt es verstärkt zu nutzen. Ich habe dazu konkrete Vorstellungen: Nach Abschluss der Oberschule müssen Schüler das Sprachniveau B2 erreicht haben, und für einen Zweisprachigkeitsnachweis sollte es Maturapunkte geben. Wir brauchen unbedingt eine Stärkung der dualen Ausbildung und Lehre, und wir brauchen universitäre Ausbildung mit starker Vernetzung der Eisacktaler Exzellenzen. Damit erreichen wir in der Tat, dass auch Leute von außen nach Brixen zur Ausbildung kommen und somit vor Ort lernen und arbeiten. Im technologischen Bereich gibt es in Brixens Industriegebiet einen sehr hohen Bedarf an Mitarbeitern, und die Schulen in Brixen sind derzeit nicht in der Lage, genügend Schulabgänger zu liefern.
Auch der Tourismus liefert derzeit gute Zahlen – auch im Eisacktal. Gibt es bei den Touristenzahlen irgendwo eine Grenze, ab der die Angelegenheit nicht mehr verwaltbar ist?
Nun, der Begriff Overtourism wird ja derzeit oft verwendet. Große internationale Städte wie zum Beispiel Barcelona leiden darunter, dass sie zu viele Gäste haben. Südtirol ist eine vollkommen andere Dimension – wir sind nach wie vor ein kleines Land, das größtenteils noch nicht unter Overtourism leidet. Bei uns geht es darum, die Besucherströme zu kanalisieren: Wie schaffen wir es in Südtirol, die Menschen so zu bewegen, dass wir diese Ströme im Griff haben – als Negativ-Beispiel nenne ich hier den Pragser Wildsee. Ich glaube, alles hat seine Grenzen, aber bei guter Organisation der Abläufe und einem effizienten Netz an öffentlichem Nahverkehr ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Der Pragser Wildsee ist in diesem Sinn eine außergewöhnliche Situation, die man nicht auf andere Realitäten in Südtirol ummünzen kann. Im Grunde geht es aber auch dort um einige Spitzen, die man auf intelligente Weise nun abfedern muss.
Auch Brixen hat im Sommer an Regentagen sehr hohe Frequenzen.
Ja, aber das sind wirklich Ausnahmen. Wenn schlechtes Wetter ist, strömen die Leute eben von den Bergen und Tälern in die Städte, und es ist ganz logisch, dass es dann hin und wieder zu Engpässen auf den Straßen und Parkplätzen kommt. Ich bin aber davon überzeugt, dass Südtirol das großteils gut im Griff hat – zumindest sind die Rückmeldungen der Gäste auf den verschiedenen Internetportalen sehr positiv. Unsere Gäste schätzen unsere Dienstleistungen, unsere Freizeitangebote und unsere Städte.
Sind die Städte für Touristen attraktiv?
Ja, natürlich. Im Vergleich zu anderen Orten gibt es in unseren Zentren im Handel immer noch ein sehr unterschiedliches und breitgefächertes Warenangebot, und die Vielfalt an kulturellen Veranstaltungen ist sowieso enorm.
Wie sehen Sie als Unternehmer und als politisch tätiger Mensch den Begriff „Wachstum“?
Nun, man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, in welcher Situation Südtirol nach dem Krieg war – das ist nur 70 Jahre her: Unsere Eltern und Großeltern sind ausgewandert, weil es in ihrer Heimat keine Arbeit gab – sie mussten oftmals schauen, dass sie nicht verhungern. So ist es erklärbar, dass jahrzehntelang Wachstum als Ziel definiert worden ist. Jetzt geht es um eine ganzheitliche Sicht: Es geht nicht mehr um Masse, sondern um Qualität und Nachhaltigkeit. Als Unternehmer und Hotelier muss ich heute darauf achten, das Territorium einzubinden, auf die regionalen Kreisläufe zu achten, Produkte direkt vom Bauern im Ort zu verwenden. Natürlich ist das teurer als die Massenware, aber unsere Gäste wissen den Mehrwert zu schätzen, den sie mit authentischen Produkten aus dem Territorium erhalten, und gerade unsere Bauernhöfe haben inzwischen eine unglaubliche Qualität erreicht. Wir Südtiroler haben drei Wettbewerbsvorteile: die Landschaft, die lokalen Produkte und die Leute. Wachstum ist also zusammenfassend nach wie vor wünschenswert, aber nicht in Quantität, sondern in Qualität.
Wie erklären Sie einem Südtiroler, der den Tourismus als Belastung sieht, dass eine funktionierende Wirtschaft für jeden einzelnen positive Auswirkungen hat?
Schauen Sie, es genügt, dass wir 100 Kilometer aus unseren Grenzen hinausschauen: Es gibt dort Talschaften, die langsam aussterben. Die Jugend wandert sukzessive ab, weil sie in ihrem Heimattal keine Perspektive sieht. Bei uns sieht es Gott sei Dank anders aus: Unsere Orte blühen und die Dörfer sind dank entsprechender politischer Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden, auch heute noch ein attraktiver Lebensraum. Südtirol hat wunderbare Infrastrukturen für die Freizeit, die vor allem von Einheimischen genutzt werden. Ohne eine funktionierende Wirtschaft wäre das alles nicht möglich. Natürlich geht es immer darum, die Dinge in einer Balance zu halten, aber Südtirol ist gut aufgestellt. Jede Medaille hat auch eine Kehrseite, aber: Wenn sich jemand an den wenigen Spitzentagen im Jahr über zu viele Gäste ärgert, sollte er dabei nie vergessen, welche Vorteile er selbst aus einer funktionierenden Wirtschaft zieht. Ohne Tourismus wären auch der Betrieb von vielen Infrastrukturen, die oft vorwiegend von Einheimischen genutzt werden, nicht zu finanzieren – denken wir zum Beispiel an die Skigebiete. Auch der Einzelhandel in den Städten und in den Dörfern leben auch vom Tourismus. Es braucht eben einen gesunden Mix, damit die Betriebe existieren können. Direkt oder indirekt profitiert wirklich jeder Südtiroler vom Tourismus, davon bin ich überzeugt.
"Meine Vision liegt darin, dass Südtirol als Lebens- und Arbeitsraum für unsere Jugend langfristig attraktiv bleibt"_Helmut Tauber
Nehmen wir an, Sie sind morgen Landtagsabgeordneter. Welche Ziele würden Sie vorantreiben?
Bei uns im Eisacktal geht es vor allem um Verkehr und Mobilität: Eisenbahn und Autobahn sind für die Menschen im Eisacktal eine große Belastung. Es wird eine Herausforderung sein, hier Schritt für Schritt, Maßnahme für Maßnahme die Lebensqualität der betroffenen Bevölkerung spürbar zu verbessern, zum Beispiel durch massive Investitionen in Lärmschutzwände, leises Rollmaterial und dergleichen mehr. Durch die Realisierung des Brenner Basistunnels und speziell der Zulaufstrecke wird es zumindest zu einer Entlastung im grenzüberschreitenden Schwerverkehr kommen. Vor allem aber gibt uns der BBT die Möglichkeit, die derzeitigen Schienen noch stärker für den lokalen Eisenbahnverkehr zu nutzen, dessen Ausbau dazu führen wird, dass der individuelle PKW-Verkehr im Tal erheblich reduziert werden kann. In den Städten sehe ich im Bereich der Radmobilität noch große Chancen. Durch die E-Bikes bekommt diese Art der Fortbewegung eine vollkommen neue Bedeutung, und tägliche Strecken zur Arbeit von 10 oder 15 Kilometern werden morgen möglicherweise mit dem E-Bike erledigt. Die Infrastruktur ist teilweise bereits da, aber es gibt hier noch großen Verbesserungsbedarf – zum Beispiel durch eigene Fahrspuren. Das ist ein Thema, mit dem ich mich intensiv beschäftigen möchte.
Zur Reduzierung des Individualverkehrs braucht es aber auch einen funktionierenden öffentlichen Bus-Nahverkehr ...
Da ist man in Südtirol ja bereits auf einem guten Weg, aber Sie haben recht, es gibt noch viel zu tun, vor allem bei den Busverbindungen in die Dörfer und Täler. Wenn ich heute als Feldthurner in Brixen am Abend ein Konzert besuche, habe ich keine Chance, mit einem Bus nach Hause zu kommen. Der Ausbau dieser Dienste kostet Geld, das wir uns von der Brennerautobahn holen sollten. Es ist nicht akzeptabel, dass eine Talschaft von einer Verkehrsinfrastruktur nur Nachteile hat. Es geht aber nicht nur um Mobilität.
Sondern?
Es geht auch um die Weiterentwicklung der ländlichen Gebiete. Früher hat man richtigerweise durch den Bau von Straßen eine kapillare Anbindung der Höfe am Berg erreicht; heute geht es darum, die Dörfer und Höfe an das schnelle Internet anzubinden, und zwar bis zum letzten Winkel. Wenn heute ein Haus an das schnelle Internet angebunden ist, eröffnet dies viele Möglichkeiten – zum Beispiel, zu Hause zu arbeiten. Und es geht um die Förderung der kleinen Kreisläufe und der lokalen Produkte. Ich nehme als positives Beispiel immer das Villnösser Brillenschaf: Vor einigen Jahren wäre diese Rasse fast ausgestorben, und heute ist es ein unglaublich tolles Produkt, das einen hohen Markt- und Imagewert hat. Der Keschtnweg ist ein ähnliches Beispiel: Auch er ist aus einer einfachen Initiative entstanden und bringt heute Gästen und Einheimischen einen hohen Mehrwert. Dasselbe gilt für den Eisacktaler Wein, für Käse und Milch, Äpfel und für viele andere lokale Produkte, die immer eines gemeinsam haben: die hohe Qualität. Ein dritter Schwerpunkt, der mir am Herzen liegt, ist das Vereinswesen.
Darin haben Sie ja eine gewisse Erfahrung ...
Ja, aber das unterscheidet mich nicht von den allermeisten Südtirolern. Andere Regionen beneiden uns Südtiroler unheimlich um unser Vereinswesen. Natürlich gibt es überall auf der Welt gemeinnützige Vereine, aber ich bin der Meinung, dass das Vereinswesen in Südtirol besonders zahlreich und leidenschaftlich gelebt wird. Wenn ich an meinen Heimatort Feldthurns denke: Jeder Feldthurner ist in mehreren Vereinen aktiv, manche in einem Dutzend. Das hat für eine Dorf- oder Stadtgemeinschaft enorme Vorteile und bringt einen gewaltigen Mehrwert: Unabhängig von der Vereinstätigkeit selbst trifft man sich, tauscht sich aus, diskutiert Problematiken. Mein Vater ist ja ein Paradebeispiel eines Vereinsmenschen – er hat seinerzeit unter anderem den Theaterverein, den Verschönerungsverein und den Sportverein angeschoben. Vereine haben meine große Wertschätzung, und ich war und bin auch bei mehreren davon sehr aktiv, etwa in unserem Sportverein beim Tennis, im Wintersport speziell beim Snowboard Club und den Nostalgieskifahrern, heute speziell als Sponsor. Die Politik hat die große Aufgabe, diese Vielfalt im Vereinswesen zu erhalten und ihre Arbeit zu fördern und zu erleichtern.
Gibt es hier Handlungsbedarf?
Ja, ohne Zweifel. Wer heute einem Verein vorsitzt, ist ziemlichen Belastungen ausgesetzt. Ein Lösungsansatz wäre zum Beispiel, dass es in den Gemeinden und in der Bezirksgemeinschaft eine Ansprechperson gibt, eine Anlaufstelle, in der die Vereinsvorstände Unterstützung in ihrer bürokratischen Tätigkeit erfahren. Wenn wir diese Unterstützung nicht organisieren können, brechen uns Schritt für Schritt die Vereine weg, und das wäre fatal für unsere Gesellschaft. Vereine halten unsere Gesellschaft zusammen und geben uns Sicherheit und ein Gefühl der Geborgenheit. Und Menschen im Ehrenamt brauchen öffentlich mehr Wertschätzung. Dabei habe ich ein interessantes Beispiel in Lana kennengelernt, wo ehrenamtlich tätige Bürger eine besondere Wertschätzung erfahren.
Auf Ihrer Homepage fand ich folgenden Spruch: „Wenn die Jammerer die Zeit, die sie verwenden, um den Zustand zu beschreiben, dafür verwenden würden, den Zustand zu ändern, wäre das Ergebnis unglaublich“. Ist das so?
Das ist meine persönliche Grundeinstellung. Die haben mir meine Eltern vererbt, und sie ist mir auch Tag für Tag vorgelebt worden. Meine Einstellung ist effektiv genauso. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein extrem prägendes Ereignis aus meiner Kindheit: Wie die meisten wissen, hatte der ehemalige Landeshauptmann Silvius Mag-
nago in Feldthurns die Sommer verbracht. Viele Jahre lang gab es einmal im Jahr einen Termin mit meinem Vater, der mich da immer mitgenommen hat. Da saß ich dann und habe diesem großen Mann zugehört, wie er erzählt hat von Sigmundskron, seinen Verhandlungen in Rom und vielem mehr. Das war für mich immer extrem spannend und hat mich ohne Zweifel in meiner Denkweise geprägt und in mir mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Leidenschaft für Politik und Einsatz für den Mitmenschen entfacht.
Sind die Südtiroler Jammerer?
Das kann man nicht verallgemeinern, denn es gibt ungemein viele Leute, die mit positiver Einstellung durchs Leben gehen und sich der Privilegien bewusst sind, die sie dadurch haben, in unser Land hineingeboren zu sein. Andererseits ist das Jammern nicht nur ein Südtiroler Phänomen: Es gibt eben auch Leute, die immer das Haar in der Suppe suchen und sich dann furchtbar darüber aufregen. Ich schau lieber in die Sonne als in den Schatten, wenn ich es mir aussuchen kann. Das ist aber eine ganz persönliche Einstellung.
Muss ein Unternehmer grundsätzlich eine positive Einstellung haben, um heute das Risiko eines Unternehmens auf sich zu nehmen?
Er tut sich sicher leichter, wenn er optimistisch durchs Leben geht. Es gibt natürlich heute für einen Unternehmer riesige Herausforderungen, vor allem durch die Rahmenbedingungen, die uns der Staat auferlegt. Immer dann, wenn Rom involviert ist, wird’s schwierig. Südtirol braucht gerade deshalb in immer mehr Bereichen einen permanenten Ausbau der Autonomie, damit wir selbst entscheiden können. Und es braucht im Landtag klare Mehrheitsverhältnisse: Ich sagte schon, Stabilität und Konstanz ist gerade in der heutigen Zeit eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Südtirol. Die italienische Regierung hingegen strahlt andauernd Instabilität und Unsicherheit aus. Dass mancher Unternehmer in Italien dabei ans Aufgeben denkt, ist kein Wunder. Dass die Wirtschaft und damit die Gesellschaft aber nur funktionieren kann, wenn es auch unternehmerische Tätigkeit gibt, ist ein Fakt. Ich sage immer, wir brauchen enkelgerechte Unternehmen – also Betriebe, bei denen auch unsere Kinder und Enkelkinder noch mit Freude weitermachen wollen. Mein Vater hatte stets den Spruch parat: „Immer lustig weiter für die gesunde Volkswirtschaft!“
Autor & Fotos: Oskar Zingerle, Brixner
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